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Smog Wawelski – Dicke Luft in Krakau (Teil 1)

In Krakau bricht wieder die Jahreszeit an, in der ich morgens ein bisschen bibbernd aufwache, gähnend einen ersten Blick aus dem Fenster werfe und mich dann, mit gerunzelter Stirn und gerümpfter Nase, frage: „Ist das Nebel oder Smog?“. 

Krakau ist eine wunderschöne, in meinen Augen eine einwandfrei lebenswerte Stadt – bis im Herbst je nach Wetterlage früher oder später die Heizsaison beginnt und noch dazu meteorisch irgendetwas passiert, das ich nicht erklären kann, aber das bewirkt, dass es zwischen dem Krakauer Tal und um zu keinen nennenswerten Luftaustausch gibt. Die Stadt versinkt unter einem Nebel aus festem, stinkenden, gelb-gräulichen Smog, aus dem an besonders windstillen Tagen nicht einmal die Türme der Marienkirche hervorstechen.

Krakau ist allerdings bei Weitem nicht die einzige Stadt in Polen, die mit dreckiger Luft zu kämpfen hat. Ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation von 2016 stellte fest, dass die polnische Luft die schmutzigste in der EU ist. Krakau steht dabei im gesamteuropäischen Ranking auf der Bestenliste: nur die Luft in Städten in Mazedonien und in Bosnien&Herzegowina ist noch dreckiger.

Smog Wawelski – leider keine Legende

In Krakau ranken sich Legenden um den „Smok Wawelski“, den Drachen des Wawel, der das feuerspeiende Maskottchen der Stadt ist. Smok auf polnisch bedeutet „Drache“. Das lädt natürlich ein zu ironischen Wortspielen. Ein Informationsportal zu Luftverschmutzung in Krakau bedient sich eines solchen Wortspiels: „Keine Legenden, sondern Fakten über  den Smog des Wawel“ (www.smogwawelski.org).

Der Drache, dessen Abbild heute vor dem Krakauer Schloss am Fuße des Wawelbergs Feuer speiht, tauchte der Legende nach irgendwann auf und verlangte Jungfrauen zum Frühstück, bis ihn ein gerissener Jüngling durch einen schlauen Trick in die Knie zwang. Drache tot, alle glücklich, die Lebenserwartungen von Jungfrauen schoss wieder gewaltig in die Höhe und eine königliche Hochzeit gab es noch dazu. Doch wie sieht es aus mit dem Smog? Der kommt nicht von irgendwoher, die Lebenserwartung der Krakauerinnen und Krakauer senkt der gesundheitsschädliche Dunst jedoch schon seit Jahren und es bräuchte eigentlich auch keine Tricks, sondern nur ambitionierte Umweltpolitik, um frischen Wind nach Krakau zu bringen. Woher kommt sie also, diese schlechte Luft, und wird nichts dagegen unternommen?

Ich gehe dieser Frage in drei Artikeln nach, die sich mit der Nutzung von Kohle als Heizmaterial in Privathaushalten, dem rasanten Anstieg von (großen!) Autos und der polnischen Industrie beschäftigen.

Schwarzes Gold? 

80% aller Privathaushalte, die in der EU noch mit Braunkohle heizen, befinden sich in Polen. Obwohl es in Krakau seit Jahren bereits zahlreiche Programme gibt und gab, um Kohleöfen gegen moderne Heiztechnologie einzutauschen, gibt es noch immer um die 20.000 Kohleöfen in der Stadt, in der zwischen 750.000 und 1 Mio Menschen leben.  Der Bedarf an Kohle wird deutlich, wenn in den Wintermonaten Lastwagen am Straßenrand ihre schwarze Fracht abladen, die im Handumdrehen aufgekauft ist. Gleichzeitig wird Kohle immer teurer, da in neue Kohleminen (immerhin) immer weniger investiert wird – nicht zuletzt deshalb, weil in Krakau beispielsweise die Nutzung von Kohle für Privathaushalte ab 2019 verboten wird. Das führt in einigen Haushalten dazu, dass verfeuert wird, was sich eben anbietet: Papier, Holz, Müll. „Sturheit“, sei das Problem, behauptet manch einer oder „Patriotismus“. Man wolle die „gute“ polnische Kohle nutzen und nicht von z.B. russischem Gas abhängig sein. Vielen Haushalten fehlen aber einfach die finanziellen Mittel, um plötzlich das Haus grundzusanieren und auf eine komplett andere Energieversorgung umzusteigen.

Und der Staat? 

Finanzielle Unterstützung soll durch das staatliche Programm „Saubere Luft“ (Czyste Powietrze) gewährleistet werden, auf jeden Fall für die Besitzer*innen von Einfamilienhäusern. Zusätzlich werden auf der Seite des Umweltministeriums konsultative Gespräche in allen Gemeinden angekündigt. Ansonsten geht es auf den spärlich bestückten Seiten zu dem Programm überwiegend um öffentliche Auftritte oder Statements des Premierministers Morawiecki. Es scheint auch niemand richtig zu wissen, woher diese Gelder kommen sollen und wann. „Saubere Luft“ als PR-Gag um – auch im Ausland – gute Schlagzeilen zu schaffen? Dieser Ansicht waren noch im Spätsommer viele Kommentare. „Die Regierung nutzt das lange Wochenende, um den Smog vor den Polen zu verteidigen“ , „Die neuen Normen zur Qualität von Kohle ein Schwindel?“  und „Tchórzweski wirft es in den Ofen. Der Energieminister kümmert sich um die Bergleute und nicht um saubere Luft.“ Mitte September wurde das Programm offiziell vorgestellt und die Frage bleibt: Wo gibt es das Geld? In den überregionalen Medien wird wenig berichtet.

Zusammenhängend mit den Umweltplänen der Regierung wurde in den Sommerferien eine umstrittene Neuregulierung zu der Qualität von Kohle verabschiedet. Diese Novelle, die den deutlichen Fingerabdruck der Kohlelobby trägt, spricht u.a. von „Öko-Kohle“. Braunkohle im Ofen – mehr Öko geht nicht? Alles klar!

Aber zurück nach Krakau. Die Werbung für saubere Luft kann man hier in der Stadt kaum übersehen, meterhohe Fahnen wehen am Marktplatz in der Altstadt im Wind. Der Marschall der Region, Jacek Krupa, reagierte im Sommer verärgert mit einem offenen Appell auf die Gesetzesänderung. Das Regierungsprogramm gebe keine reale Chance zur Verbesserung der Luftverschmutzung. Vor Ort investiert die Region Kleinpolen mit Hilfe von EU-Geldern jetzt u.a. in Luftreiniger für alle Kindergärten und in Bildung und Aufklärung, gleichzeitig ist der Bürgermeister der Stadt Krakau dafür bekannt, eine besondere Leidenschaft für das Fällen von Bäumen zu hegen. Ob die staatlichen und regionalen Programme etwas bringen und dazu beitragen, den Smok Wawelski, den Drachen, wieder aus winterlichen Smogschwaden zu befreien? Wichtig ist, dass das Thema flächendeckend ernst genommen wird, in Kleinpolen überzeugt immerhin der Internetauftritt zu dem Thema. Aber wie dort wie auch auf den Seiten verschiedener Organisationen steht: Der private Kohleverbrauch ist nur ein Aspekt, der zur Luftverschmutzung führt.

Wer zur Rushhour an einer der Hauptstraßen Krakaus steht, der sieht und riecht, wie zwischen den Autos, die sich Stoßstange an Stoßstange langsam nach vorne quälen, dreckiger Qualm in die Luft zieht. Wird da etwas unternommen? Dazu mehr in ein paar Tagen!

Warnschilder in der Stadt: „Index für Luftqualität: Ausreichend. Es wird geraten, Zeit draußen zu reduzieren, insbesondere bei Husten oder Halsschmerzen.“

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2 Kommentare

  1. […] relativ allein auf weiter Flur (aber zum Radfahren in Krakau gibt’s auch einen eigenen Post hier) und häufigen Überholmanövern oder Wuteskapaden meiner motorisierten Mitverkehrsteilnehmenden […]

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