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Smog Wawelski – Dicke Luft in Krakau (Teil 2)

In Deutschland hält sich ein Vorurteil über Polen ganz besonders hartnäckig: Das Vorurteil, dass in Polen massenhaft Autos gestohlen würden. „Besuch Polen, dein Auto ist schon hier.“ Haha. Ich habe schlechte Neuigkeiten für meine ignoranten Mitbürger*innen: Die Autos, die inzwischen in Polen – zumindest in den großen Städten – auf der Straße fahren, sind neuer, größer und geiler als eure Autos. Am Stadtrand von Krakau blitzen in großen Autozentren strahlende SUVs in der Spätsommersonne und gehen weg wie warme Semmeln. Nichts besser, so scheint es, als sich ein richtig großes Auto zu kaufen, um dann im Schneckentempo über verstopfte Schnellstraßen in der Stadt zu schleichen und dabei Social Media zu checken.

Ich bin da voreingenommen. Ich mag keine großen Autos. Ab einer bestimmten Größe empfinde ich sie als völlig überflüssige Dreckschleudern und bis zu dieser Größe als immer noch relativ überflüssige Dreckschleudern, jedenfalls in der Stadt. Meine Eltern fuhren mal einen pistaziengrünen VW Golf und dann einen knallroten Nissan Sunny, bei beiden konnte man hinten die Türen nicht aufmachen und besonders viel Platz gab es auch nicht. Ich glaube, den Nissan haben sie verkauft, als ich ungefähr 13 Jahre alt war, das ist inzwischen über zehn Jahre her. Seither nutzen sie Carsharing und das funktioniert einwandfrei. Ich fahre Fahrrad und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Öffinetz in Krakau finde ich fantastisch (jedenfalls bis vor einem Monat Bauarbeiten an unserer Straßenbahnlinie begannen und jetzt statt 6 noch genau 0 Straßenbahnen fahren) und mit meinem Fahrrad komme ich auch überall hin, wenn auch aggressiver. Auf längeren Fahrten, und vor allem sobald die Temperaturen sinken, trage ich beim Fahrradfahren eine Gesichtsmaske, ansonsten kratzt es mir im Hals, sobald ich fünf Minuten an einer größeren Straße langfahre.

2016 kamen auf 1000 Einwohner*innen in Polen 672 Autos, das sind 62 Autos mehr als in Deutschland und fast 100 Autos mehr als der EU-Durchschnitt. In Krakau sind täglich bis zu 246.000 Autos auf den Straßen unterwegs, eine beträchtliche Zahl bei (offiziell) 750.000 Einwohner*innen. Im Jahr 2014 lag diese Zahl noch bei 526 Autos pro 1000 Einwohner*innen. Dabei verfügt die Stadt über ein gut ausgebautes Straßennetz Öffentlicher Verkehrsmittel, auf denen (überwiegend) moderne Straßenbahnen mit Schnickschnack wie USB-Ladestationen und Elektro- oder Hybridbusse in alle Ecken der Stadt und in das Umland fahren. Die Straßen sind trotzdem verstopft, es gibt nicht genug Parkplätze und zu allem Überfluss wird der Öffentliche Nahverkehr ständig durch falsch parkende Autos oder Unfälle aufgehalten.

Immer mehr wird auch in Infrastruktur für Fahrräder investiert, trotzdem bin ich als tendenziell eher gemütliche Radfahrerin relativ allein auf weiter Flur und häufigen Überholmanövern oder Wuteskapaden meiner motorisierten Mitverkehrsteilnehmenden ausgesetzt.

Die zunehmend steigende Menge an Pkws bekommt Krakau nicht gut. Die Straßen sind dafür nicht ausgelegt, und auch die Umwelt leidet massiv. In vergangenen Wintern war an Tagen, an denen die Smog-Belastung besonders hoch lag, der öffentliche Nahverkehr kostenlos für Autohalter*innen – aber die wenigsten Pkw-Pendler*innen fahren schließlich nicht mit dem eigenen Wagen, weil sie sich den – übrigens wirklich günstigen – öffentlichen Nahverkehr nicht leisten können. Vor allem nicht, wenn sie es genießen, aus einem komfortablen SUV auf den Verkehr hinabzublicken. Bereits mehrmals gab es auch schon Kontrollen der Polizei, um besonders dreckige Autos aus dem Verkehr zu ziehen. Bisher zeigt sich wenig Erfolg, die Smog-Werte kletterten an den heißen Sommertagen (übrigens ganz ohne das zu-Tun dreckiger Kohleöfen) in teils schwindelige Höhen.

Ob sich hier in nächster Zeit etwas ändert? Es wäre ja sehr zu hoffen, dass Polen sich nicht Deutschland zum Vorbild nimmt, wo um Biegen und Brechen – und mit Zutun der Autolobby – klimafreundliche Autopolitik verhindert wird. Überhaupt, Deutschland und die Autos in Polen. Seit in Deutschland verschiedene Anreize geschaffen wurden, vom dreckigen Diesel wegzukommen, steigt der Anteil deutscher Gebraucht-Diesel auf dem polnischen Automarkt stetig an – der Dreck von deutschen Straßen wird einfach in den Osten verlagert (ähnliches passiert übrigens mit deutschem Müll, der in Polen, statt in Deutschland verbrannt wird).

Wenn die Luft in den großen Städten wieder besser werden soll, dann muss sich auch im Bereich Verkehr grundsätzlich etwas ändern. Das Umrüsten der Privatwohnungen auf umweltfreundliche Heiztechnologien kann nur ein Ansatz sein. Wenn wir in Polen und im Rest Europas die Luft nicht weiter verpesten wollen, dann müssen wir beim Thema „Transport“ umdenken. Ich sag nur: Fahrrad!

Ein anderer Ansatz der polnischen Regierung sind strukturelle Investitionen in den Sektor der E-Mobilität. Polen, ohnehin ein Land auf das bspw. Deutschland im Hinblick auf Digitalisierung mit Neid schauen sollte, hat große Ambitionen, um eine Infrastruktur zu schaffen, in der es unkompliziert ist, mit einem Elektroauto von A nach B zu kommen. 10 Milliarden Zloty sollen laut einer Erklärung des Umweltministeriums in den kommenden Jahren in diesen Bereich investiert werden. Wenn es um den öffentlichen Nahverkehr geht, zeigen Städte wie Krakau schon lange, wie gemütlich Öko-Busse sein können. Gleichzeitig gibt es in der Stadt erste, noch zögerliche Bestrebungen, Autofahren im Stadtzentrum unkomfortabler zu machen – Parkplatzflächen werden in Parks umgebaut, Straßen für den normalen Autoverkehr gesperrt oder nur in eine Richtung freigegeben und zusätzlich – um Anreize zu schaffen – viele Park’n’Ride Flächen an äußeren Stadtbezirken eingerichtet.

Ich finde, die Stadt muss noch radikaler werden und den gesamten inneren Kreis um die Altstadt für den öffentlichen Autoverkehr sperren – dafür dann aber die Flächen für Fahrradfahrer*innen aufmotzen. Dafür findet sich bisher leider noch keine Mehrheit – aber mit jedem dreckigen Winter wächst der Widerstand in der Bevölkerung gegen die schmutzige Luft. Wie lange es wohl dauert, bis den Menschen ihre Gesundheit mehr wert ist als der Komfort und das Prestige des großen Autos?

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