Mein Engagement für Europa begann so: Nach dem Abitur, das war 2011, machte ich einen Europäischen Freiwilligendienst. 9 Monate lebte ich in Krakau und half bei der Betreuung von Kindern in einer Grundschule (mehr darüber gibt’s hier). Es war eine großartige Zeit. Mein Arbeitstag begann am späten Vormittag und ich verbrachte meine Zeit damit, polnisch zu lernen, Bücher (vor)zu lesen, zu malen und allerhand anderer spaßiger Dinge zu tun. Abends genoss ich das wilde Leben Krakaus und die kulinarische Vielfalt des polnischen Wodkas. Ganz nebenher trug ich auch noch einen Teil zur Völkerverständigung bei. Es war fantastisch Zeit. Als ich zurückkam, wurde ich ein Teil der EuroPeers. Die EuroPeers ist ein Netzwerk, das von der Nationalagentur für Erasmus+ – also die zuständige Behörde für Jugendaustauschprogramme der EU in Deutschland – ins Leben gerufen wurde, um Rückkehrer:innen Europäischer Projekte in einen europäischen Dialog einzuspannen. Die Idee hinter den EuroPeers ist, dass junge Menschen mit anderen jungen Menschen in Kontakt kommen und Werbung für die EU-Jugendprogramme machen. Das Ganze ist erfolgreich, weil es von jungen Menschen für junge Menschen gemacht wird.
Ich war im Rahmen der EuroPeers sehr viel in Schulen unterwegs. Eines Tages – ich war 22 Jahre alt und gerade aus Asien zurückgekehrt – stand ich vor einer Schulklasse und erklärte den Peer-to-Peer-Ansatz. Die Teenies schauten mich an, ich schaute zurück und im Stillen waren wir uns einig darüber, dass ich als weitgereiste Studentin (in vier Ländern hatte ich damals bereits gelebt, Deutschland ausgenommen) nicht mehr in ihr Spektrum von „jung“ gehörte.
Jetzt bin ich 25 und obwohl ich in der EU bis 29 Jahre als „jung“ gelte, merke ich schon, dass ich langsam der Kategorie der Jungspunde entwachse. Das ist aber auch okay, ich habe andere Sachen für mich gefunden. Die EU finde ich nach wie vor großartig, und ich muss schon sagen – am aller Großartigsten ist sie doch für junge Menschen. Das ist aber auch fair, denn junge Menschen sind immerhin unsere Zukunft.
We like to move it, move it!
Eines der wohl bekanntesten EU-Programme ist Erasmus. Erasmus steht für „European Community Action Scheme for the Mobility of University Students“ und wurde bereits im Jahr 1987 gegründet. Inzwischen umfasst das Programm Erasmus+ viel mehr als nur Studienaustausche. Alle Mobilitätsprogramme für junge Menschen und Bildung der EU werden unter diesem Begriff zusammengefasst.
Erasmus hat manchmal einen schlechten Ruf. Aber wenn man es genau nimmt, dann hat eigentlich alles, was junge Menschen betrifft, oft einen schlechten Ruf. In jedem Fall, wenn ältere Persönchen hier die Urteile fällen. Das Erasmus-Austauschsemester steht Synonym für viele wilde Partys, internationale Knutschereien und bilaterale Beziehungsdramen. Das Studium erscheint hier meistens zweitrangig. Ich selbst habe nie ein Erasmussemester gemacht (ich weiß, es ist überraschend!), war jedoch Austauschstudentin in Taiwan. Daher also zwei Sachen zu dem Vorwurf, Erasmus bereichere nicht die Lehre. Erstens gehören die feierwütigen Austauschstudis meistens auch in der Heimat schon nicht in die Streber:innenfraktion. Wer wie ich damals auch im Ausland ganze Tage in der Bibliothek verbringt – und dafür auf viele aufregende City Trips verzichtet – ist auch daheim ein Nerd. Zweitens bringen bilaterale Knutschereien und Liebesabenteuer Kulturen und Völker ganz großartig und unkompliziert zueinander. Auch hier spreche ich aus Erfahrung.
Erasmus+ ist ja nun aber viel mehr als nur Studienaustausch. Und mir ist es besonders wichtig, das immer wieder zu erwähnen. Erasmus+ umfasst z.B. den Europäischen Freiwilligendienst, bei dem junge Menschen mehrere Monate in kulturellen oder sozialen Einrichtungen aushelfen – die Kosten trägt dabei die EU. Erasmus+ umfasst auch kürzere Austauschprogramme wie Schulaustausche, Praktika, Sprachkursprogramme oder Work Camps. Wer einfach nur ein bisschen Reisen möchte, kann in dem Jahr in dem er oder sie 18 Jahre alt ist oder 18 Jahre alt wird im Rahmen von #DiscoverEU ein Interrailticket gewinnen. Für jede:n ist hier etwas dabei, doch wir sollten uns nichts vormachen – trotz EU-Förderung ist es bei einigen dieser Programme nur möglich teilzunehmen, wenn man zusätzlich andere finanzielle Unterstützung bekommt.
Hoch die internationale Solidarität
2016 wurde das Europäische Solidaritätskorps ins Leben gerufen. Junge Menschen aus der EU und Partnerländern können sich auf der Seite des Korps registrieren und erhalten dann Informationen zu Projekten, an denen sie teilnehmen können z.B. im Bereich der Krisenversorgung.
Solidarität und Frieden – dafür steht die Europäische Union. Wenn man sie jedoch einem Reality Check unterwirft, so merkt man schnell: immer häufiger werden diese Werte über Bord geworfen. Wer könnte daher besser als junge Menschen diesen Werten neues Leben einhauchen? Genau dafür wurde das Europäische Solidaritätskorps ins Leben gerufen. Hier geht es um spontane Unterstützung in Krisensituationen, Aushilfe bei Großevents oder lange Projekte, die über mehrere Monate andauern (= Europäischer Freiwilligendienst). Gleichzeitig wird eine Plattform für Austausch ins Leben gerufen und Wettbewerbe werden ausgeschrieben. Ich finde solche Initiativen großartig, denn für mich geht nichts über die europäischen Kontakte, die ich während meiner zahlreichen Auslandsprojekte knüpfen konnte.
Das eigene Ding machen
Die EU bietet zahlreiche Möglichkeiten für junge Menschen, sich in Politik gestaltend einzubringen. Beispiele sind zum Beispiel das European Youth Event, Workshops und Jugendinitiativen.
Ich möchte hier nichts schönreden. Junge Menschen werden aus wirklicher politischer Gestaltung und Teilhabe nach wie vor strukturell ausgeschlossen oder nicht für voll genommen. Das betrifft jeden Bereich der nationalen und internationalen Politik. Viele Formate, die behaupten, junge Menschen zu integrieren, sind eigentlich nur Sammelbecken für besonders engagierte junge Menschen, um diese vom eigentlichen Geschehen fernzuhalten (Hier schreibe ich mir ein bisschen Frust von der Seele). Früher (vor langer, langer Zeit), als ich gerade mein Studium begonnen hatte, war ich im Rahmen einer EU-Jugendinitiative Projektleiterin eines EU-finanzierten Projekts in Chemnitz – das war großartig. Den Antrag für die Gelder hatten wir selbst dafür gestellt. Dieser Prozess wurde dann leider mit den Neuerungen unter Erasmus+ verkompliziert, sodass es heutzutage kaum möglich ist, ein cooles Jugendprojekt allein auf die Beine zu stellen. Aber es gibt andere Möglichkeiten, um aktiv zu werden oder junge Mitstreiter*innen kennen zu lernen.
Das größte Event ist das zwei-jährlich stattfindende European Youth Event in Straßburg, bei dem Jugendgruppen sich unkompliziert anmelden können. Ansonsten gibt es zahlreiche Organisationen, die sich die Mühe machen, Workshops und Jugendbegegnungen zu organisieren – aber häufig keine Teilnehmenden finden. Über Projekte, die nach deutschen Teilnehmenden suchen, gibt es z.B. in verschiedenen Facebookgruppen Informationen – oft auch kurzfristig.
Die EU lohnt sich für junge Menschen, auf ganzer Linie. Abschließend kann ich nur eines empfehlen: Auf die Plätze, fertig, los – such dir dein Projekt!