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Selbst ist die Frau: Über Mut und Gastfreundschaft

Vor einem guten halben Jahr reiste ich von Oslo nach Kopenhagen und legte dabei einen Zwischenstopp in Malmö ein. Ich hatte nicht vor, viel Zeit in der Stadt zu verbringen und hatte mir dafür ein Bett in einem billigen Hostel gebucht, in dem ich die kurze Nacht zwischen Ankunft und Abfahrt verbringen wollte.
Als ich kurz vor Mitternacht in Malmö ankam, geschlaucht von der langen Busfahrt, stolperte ich völlig nichtsahnend in das größte Festival, das die Stadt einmal im Jahr in Feierlaune bringt. Ich war umgeben von betrunkenen, ausgelassenen Menschen und von verschiedenen Bühnen kam ohrenbetäubend laute Musik. Tolle Musik, aber mir, die gerade einige Tage in der idyllischen Natur Norwegens verbracht hatte, viel zu wild. Aber darum soll es nicht gehen.
Ich jedenfalls, nicht in Feierlaune, spazierte zu meinem Hostel, das etwas abseits der Innenstadt gelegen war.
Als ich an dem Hostel ankam, war es schon aus der Ferne verdächtig dunkel und mein Verdacht bestätigte sich, als ich dort ankam – die Tür war verschlossen. Durch ein zur Straße zeigendes Fenster konnte ich die verlassene Rezeption deutlich erkennen. Ich versuchte, telefonisch jemanden zu erreichen und hörte nur das dumpfe Klingeln durch die Tür.
Inzwischen war es kurz vor eins und ich war müde . Es war Zeit für Plan B. Aber wie das in solchen Momenten ist – selbst wenn man sich mitten in einer schwedischen Großstadt befindet, hat man genau dann keinen Handyempfang, wenn man mutterseelenallein und sehr erschöpft vor verschlossenen Türen steht.
Ich quatschte also ein Pärchen an, das auf der Straße vorbei lief – ob sie wohl ein Hotel wüssten? Sie hatten zwei, drei Ideen – doch alles war ausgebucht, weil die Stadt von Festivalgästen eingenommen war. Im Hilton wäre noch etwas frei gewesen, aber das war nicht ganz in meinem Budget.
Es war also Zeit für Plan C. Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, mich auf die metallene Treppe vor dem Hostel zu setzen und ein bisschen vor Erschöpfung zu weinen, aber bei genauerem Überlegen war das keine besonders gute Idee. „Marie“, sagte ich mir. „Du bist in einer Stadt, die von Menschen überrannt ist. Du wirst schon jemanden finden, der dich für eine Nacht beherbergt.“ Also schulterte ich wieder meinen Rucksack und stapfte los.
Ich kam an einer Gruppe junger Männer vorbei, die mir etwas angetrunken schienen. Schnell weiter. Auch die nächste Gruppe junge Männer, die die Köpfe nach mir verdrehten und schnalzten, als ich vorbei schlich. Auch keine gute Idee. Da sah ich aus einem Hauseingang eine Gruppe junger Menschen treten und hörte, dass sie Englisch sprachen. Und außerdem war da einfach was an ihnen, dass ich sofort sympathisch fand. Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen und sprach sie an. „Hey, ich will nicht aufdringlich sein“, sagte ich und erklärte meine verzwackte Lage. Zwei der beiden – ein junges Paar – luden mich sofort zu sich ein. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Neulich fragte mich jemand, was für ein Mensch ich gern wäre. Ich musste nicht lange überlegen und musste dabei an diese beiden lebensfrohen, weltoffenen und spontanen Gastgeber denken. Ich wünsche mir, dass auch ich ein Mensch mit einer so offenen Ausstrahlung bin, dass eine junge Reisende mitten in der Nacht bei einem Blick tiefes Vertrauen fasst und sich willkommen fühlt. Ich glaube, wenn man so ein Mensch ist, dann ist man mit Leichtigkeit überall auf der Welt zu Hause und schafft noch dazu, anderen Menschen die Reise – oder den Alltag – etwas zu verschönern.

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