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Frankreich pur: Wein, Freunde und das Glück in Bordeaux

Bordeaux – preisgekrönte Stadt im Südwesten Frankreichs, weltberühmt für dunkelrot leuchtenden Wein und alte Architektur. Eine Stadt wo sich mittelalterliche Tore, gotische Kirchen und Straßenzüge aus dem Klassizismus an die Ufer der Garonne schmiegen und in der 18000 m² als UNESCO-Weltkulturerbe gelistet sind – das klang nach einem Ort, an dem ich mich wohlfühlen kann.

La grosse cloche, eines von zwei mittelalterlichen Stadttoren, bestückt mit einer imposanten Glocke

Obwohl 2015 Bordeaux als die Destination Europas geehrt wurde, hat sich die Kunde der Stadt scheinbar noch nicht in alle Welt getragen. Zwar ist es im August touristisch, aber während es zunehmend mehr Pariser langfristig nach Bordeaux zieht, bevölkern große Reisegruppen aus aller Welt nach wie vor die Straßen der Hauptstadt und lassen sich in Bordeaux kaum blicken.

Mir persönlich sagt Paris trotz der prächtigen Architektur nicht zu. Zwar ist dort die Atmosphäre ausgesprochen Französisch, aber doch nie so französisch wie in romantischen Filmen und mir zu abgehoben.

Im Hipster-Viertel St. Paul finden sich angeblich einige der besten Bars

Auf den ersten Blick gleichen sich Bordeaux und Paris. Das ist nicht verwunderlich, immerhin hat der Architekt Ange-Jacques Gabriel beiden Städten seinen Fingerabdruck aufgedrückt und „Bobos“ (Die französischen Hipster, eine Abkürzung von Bourgeois-Bohéme) fühlen sich in den zahlreichen Cafés beider Städte wohl.

 

Frankreich-Lieberhaber_innen werden Bordeaux nicht nur des Weins wegen genießen – Im Gegensatz zu Paris werden jedoch auch Skeptikerinnen wie ich hier plötzlich zu Liebhaberinnen der Französischen Kultur und Mentalität.

Ich beginne meine Entdeckungstour am südlichsten Punkt des Stadtzentrums:  Am Place de la Victoire und lasse mich einfach treiben. Auf dem Place Saint Michel finde ich mich plötzlich in einem großen Markt wieder, in dem alles verkauft wird außer Essen und ich entfliehe der geschäftigen Hektik durch Gassen mit kleinen Gemüseläden und Cafés und durch ein altes Stadttor – das Porte de Bourgogne – von wo ich direkt auf die Pont de Pierre zulaufe. Diese Brücke wurde unter Napoleon errichtet und ist zurzeit als umweltbewusstes Experiment verkehrsberuhigt, einzig die Tram überquert sie. Ich bin überhaupt begeistert: In große Teile der Innenstadt kommen keine Autos und die Bordelais sind stattdessen mit dem Rad unterwegs.

Für einen Moment spaziere ich am Flussufer entlang, der Himmel ist zugezogen und es weht ein frischer Wind – aber das lässt mich Bordeaux, bekannt für graue Tage und Regen, noch mehr genießen. Mein norddeutsches Gemüt braucht ab und zu Wolken zum Glücklichsein.

Noch vor einigen Jahren führte direkt am Fluss eine Schnellverkehrsstraße entlang, die Fassaden der alten Häuser waren von der Zeit und von Schmutz schwarz und hässlich. Der heutige Glanz der Stadt ist der innovativen Stadtplanung seit Ende der 90er Jahre zu verdanken: Die Stadt wurde geputzt und vergrünt, die Quais komplett neu strukturiert, Wohlstand zog ein.

Porte Cailhou

Ich tauche  wieder in das entspannte Treiben in der Stadt ein. Durch das Porte Cailhau, Teil der Verteidigungsmauern aus dem Mittelalter voller Schießscharten und Schlitze trete ich auf einen Platz. Um mich herum sind die Cafés und Bistros eng besiedelt, das Lachen und die Lebensfreude der Menschen schwappt zu mir herüber und steckt mich an. Unzählige kleine Boutiquen, Restaurants und Concept Stores, die sind zurzeit wohl überall in Mode wo es Hipster gibt, säumen die Straßen. „Made in France“ und „Bio“ steht in den Schaufenstern. Man sieht Bordeaux an, dass die Stadt immer reicher wird und ich bin nicht überrascht zu hören, dass vor allem junge Menschen sich gegen die beginnende Gentrifizierung stemmen. Noch kann man in Innenstadtnähe bezahlbar wohnen und Essen ist auch in der Stadt nicht zu teuer – aber der Trend geht in eine eindeutige Richtung.

Die Walking Tour endet am Place des Quinconces

Ich lerne dank der „Hello Bordeaux – Free Walking Tour“, die mit Witz und Charme einen Einblick in Geschichte und Gegenwart Bordeaux gibt, mehr über die Stadt. Beispielsweise darüber, dass die Hafenstadt Bordeaux im 18. Jahrhundert ein Riesenumschlagplatz für Sklaven aus Afrika in die Überseekolonien Frankreichs war. Noch heute sind zahlreiche Straßen in der Innenstadt sehr zum Ärgernis lokaler Initiativen nach reichen Geschäftsmännern benannt, die tragende Rollen im Sklavenhandel innehatten.

Mit zügigem Schritt führt der Guide durch die ihm vertraute Stadt und teilt seine liebsten Orte mit uns. Von ihm angefixt, möchte ich nach der Tour am liebsten direkt in die Bar du Vin, in einer Weinschule, wo man sich in edlem Ambiente durch allerhand hochwertige und doch günstige Weine probieren kann, doch die Warteschlange schreckt mich ab. Der Wein kostet nirgendwo besonders viel und genauso gut lässt er sich jetzt, wo die Sonne sich zeigt, im Cinéma Utopia genießen. Ehemals eine Kirche werden heute im Inneren Independent Filme und Dokus gezeigt, draußen kann man vor den alten Steinmauern kühle Getränke genießen – wie ich meinen Biowein.

Brunnen am Place de la Bourse
Die Bordelais sitzen gerne herum und genießen das Leben

Von Beginn an komme ich in Bordeaux mit vielen Menschen unverfänglich ins Gespräch, das Highlight ist jedoch, als ich im Jardin Public zwei Franzosen kennenlerne, mit denen sich rasch eine Freundschaft entwickelt. Nachdem der Guide der Walking Tour über Deutsche nichts Gutes zu erzählen wusste (klar, die Deutschen waren im zweiten Weltkrieg hier), leiste ich meinen Beitrag zur Deutsch-Französischen Freundschaft und es macht richtig viel Spaß. Zu dritt Essen zu gehen ist auch viel besser, als allein und im Restaurant Melodie, wo wir uns gegenseitig durch unsere Speisen probieren, erlebe ich einige kulinarische Orgasmen (nachdem ich meinen Vegetarismus spontan aufgebe). Ich lerne außerdem Schritt für Schritt immer mehr über Wein: Rosé aus Bordeaux ist eigentlich eher heller Rotwein, der aus der Provence ist besser.

Typisch Französisch: Rue Notre Dame

Je länger ich in Bordeaux bin, desto besser gefällt es mir, egal wo ich mich befinde: Beim Schaufenstershopping in der Rue Notre Dame (Kleinkunst und süße Lädchen), beim Menschen-Beobachten am Place du Parlament, während einer kurzen Pause in der Kirche St. Pierre oder mit einer eigentlich viel zu süßen Cannelé (ist da außer Eiern, Zucker und Rum noch etwas drin??), die ich am Place Gambette genieße – anstelle einer Guillotine gibt es hier heute einen Park.

Ich genieße die imposante Architektur am Place de la Bourse und vor der Oper, umgehe die völlig überfüllte Rue St. Catherine, eine 1,2-km-lange Einkaufsstraße, über viel schönere und ruhige Nebenstraßen und erfreue mich an der friedvollen Atmosphäre.

Die Oper
In der Cathedrale Saint-André

Ich lege meinen Kopf in den Nacken und lasse in Kirchen gotische Rundbögen auf mich wirken, ich trinke Wein und esse Eis und schalte richtig ab. Vor allem aber verbringe ich wunderbare Stunden mit meinen neuen Freunden. Ich verpasse zwar den Aufstieg auf den Tours Pey-Barland und damit einen Blick auf Bordeaux (der für Europäer_innen unter 25 nichts kostet) und verpasse auch die Gelegenheit, mit der Fähre die Garonne zu überqueren. Ich schaffe es nicht zum futuristischen Weinmuseum „Cité du Vin“ und auch den Marche de Capucin sehe ich nur von außen. Aber was soll’s? Dafür kriege ich einen unvergleichlichen Einblick in das Leben junger Bordelais und verbringe viel Zeit damit, herzhaft zu lachen.

Ein Highlight hebe ich mir bis zum letzten Abend auf. Als Fan von innovativer Rebellion und alternativen „Urban Spaces“ besuche ich das „Darwin Ecosystem“ auf der anderen Flussseite. Die ehemalige Kaserne ist heute – zum Ärgernis der Stadtverwaltung, die hier liebe schicke Apartments mit Flussblick bauen würde – ein Hub voller Start-Ups, nachhaltigen Läden, alternativer Kunst, Graffiti, einer Farm und einem Skatepark.

Bier und Wein kriegt man hier natürlich auch. Hier treffen sich junge Menschen und diskutieren über Recht und Unrecht – es ist mein Place to be!

Mit neuen und alten Freunden lasse ich den Abend schließlich „chez Alriq“ (bei Alriq) direkt am Flussufer unter bunten Glühbirnen ausklingen. Für fünf Euro Eintritt wird der Abend von Jazz begleitet, während über dem Fluss die Sonne dramatisch schön untergeht.

Ich hatte mir von Bordeaux viel versprochen, aber meine Erwartungen wurden vollends übertroffen. Ich habe nicht nur eine Lieblingsstadt entdeckt, sondern in mir auch eine Leidenschaft für Frankreich und für die Französische Sprache. Ich freue mich schon auf das nächste Wiedersehen.

Eine frischgebackene Frankreich-Liebhaberin!

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1 Kommentar

  1. […] mehr und zog das letzte Register: Nix wie weg hier. Ich folgte der Einladung einer Freundin nach Bordeaux, und ehe ich mich versah, fand ich mich im 7. Himmel wieder. Bordeaux ist für mich eine der […]

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